Futurismus
Kunstbewegung
Der Futurismus war eine aus Italien stammende avantgardistische Kunstbewegung, die aufgrund des breit gefächerten Spektrums den Anspruch erhob, eine neue Kultur zu begründen.
Der Einfluss des Futurismus geht wesentlich auf seinen Gründer Filippo Tommaso Marinetti und dessen erstes futuristisches Manifest von 1909 zurück.
Am 20. Februar 1909 publizierte der junge italienische Jurist und Dichter Filippo Tommaso Marinetti in der französischen Zeitung Le Figaro sein „futuristisches Manifest“ und begründete damit die futuristische Bewegung:
Trotz der häufigen Verwendung von „Wir“ hat Marinetti das Manifest allein konzipiert (Pluralis Modestiae). Es spiegelt die Überzeugungen und die Verfassung eines jungen Millionärssohnes wider, der mit siebzehn Jahren auf sich allein gestellt im Paris des Fin de Siècle Erfahrungen sammelte. Geprägt wurde er dabei von seinem literarischen Freundeskreis, zu dem vor allem Symbolisten wie Guillaume Apollinaire, Joris-Karl Huysmans und Stéphane Mallarmé gehörten, die sich, zur Gewalt bekennend, gegen die herrschende bürgerliche Ordnung auflehnten. Mit ihnen stand Marinetti auch den Anarchisten wie Pierre-Joseph Proudhon, Michail Bakunin und vor allem Georges Sorel nicht fern und begrüßte die Attentate ihrer Aktivisten. Im Manifest findet man auch Gedankengut von Friedrich Nietzsche. Wie Nietzsches Zarathustra, streben Marinettis Helden ihre Ziele allein gegen eine feindliche Welt ohne Rücksicht auf ihr Umfeld gewalttätig an.
Neben der Ablehnung der (christlichen) Moral und der Abneigung Marinettis gegenüber Frauen zeigt sich im Manifest das Fehlen jeglicher sozialer Bezüge. Nach einem vollendeten Jura-Studium fasste er den Entschluss, nicht in die Fußstapfen seines erfolgreichen Vaters zu treten, sondern eine neue Kulturrichtung ins Leben zu rufen.
Das Manifest war als provokativer Tabubruch konzipiert, der Jugend, Gewalt, Aggressivität, Geschwindigkeit, Krieg und Rücksichtslosigkeit verherrlichte und den als „Passatisten“ (Anhänger des Vergangenen) bezeichneten etablierten Kulturträgern und deren Anhängern den Kampf ansagte. Die Zerstörung von Bibliotheken, Museen und Akademien als Hort des Passatismus (überlebte Anschauungen) sollte der neuen Kultur den Weg ebnen und Italien eine neue kulturelle Identität verleihen. Dazu Giovanni Lista:
Selbst dieses provokative Manifest wäre im skandalgewohnten Paris wohl über ein Tagesgespräch nicht hinausgekommen, hätte nicht Marinetti das in Künstlerkreisen geweckte Interesse dazu genützt, einen Kreis junger Künstler um sich zu scharen und zu konzertiertem Schaffen zu bewegen, was er durch finanzielle Zuwendungen zu fördern verstand.
Zum Grundritual des Futurismus gehörten die zahlreichen Manifeste, mit denen sich der Futurismus in seiner Gesamtheit und in seinen Teilbereichen präsentierte.
Was den Futurismus von anderen Kunstrichtungen deutlich unterschied und zu dessen Verbreitung entscheidend beitrug, war die Art der Präsentation. Marinettis Serate futuriste (Futuristische Abende), die er ab 1910 vor allem in norditalienischen Theatersälen veranstaltete, sollten primär provozieren. Deshalb begannen solche Abende grundsätzlich mit der verbalen Herabsetzung der jeweiligen Stadt und ihrer Bürger. Anschließend wurden Manifeste verlesen, futuristische Kunstwerke gezeigt, futuristische Musik gespielt sowie Ausschnitte aus futuristischer Theaterkunst geboten. Solche Abende waren aus der Sicht Marinettis nur dann erfolgreich, wenn es spätestens zu Ende der Veranstaltung zu einem Tumult mit Einschreiten der Sicherheitskräfte kam und das Medienecho entsprechend groß war.
Auf dem so gewonnenen Bekanntheitsgrad aufbauend, wurde die futuristische Wanderausstellung, die am 30. April 1911 in Mailand startete, ein voller Erfolg. 1912 ging man mit der Ausstellung ins Ausland, wo sie bis Kriegsbeginn blieb. Die wichtigsten Stationen waren Paris, London (2 mal), Berlin (2 mal), Wien, Brüssel, Den Haag, Amsterdam, München, Budapest, Rotterdam, Karlsruhe, Leipzig, Rom und St. Petersburg. Fast überall zeigten sich Besucher und Kritiker von der Vielfältigkeit und Eindringlichkeit der Darbietung beeindruckt, besonders stark war die Wirkung auf die lokale Kunstszene.
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